Wo Berlin ganz alt aussieht – Jüdische Spuren rund um die Neue Synagoge

Wo Berlin ganz alt aussieht – Jüdische Spuren rund um die Neue Synagoge

Treffpunkt: am östlichen Ausgang des S-Bahnhofs Hackescher Markt, vor „Coffeemamas“
Dauer: 2 – 2 ½ Stunden

Um 1750 machte sich der Berliner Stadtkommandant General von Hacke auf Befehl Friedrichs des Großen daran, dort, wo heute ICE-Züge und S-Bahnen Richtung Alexanderplatz fahren, die barocke Stadtbefestigung zu schleifen, davor Sümpfe trocken zu legen, Straßen und Häuser für arme Bauarbeiter zu bauen.
Freilich konnte er damals weder ahnen, daß rund hundert Jahre später ein Marktplatz, 250 Jahre später ein S-Bahnhof nach ihm benannt werden noch daß später einmal der Weg in das westlich Berlins gelegene Spandau nicht mehr durch die Spandauer Vorstadt, sondern durch das Brandenburger Tor und den Tiergarten führen würde.

Hackescher Markt, Kupferstich von Johann Georg Rosenberg, 1780

Da von Hacke seine Arbeit rund 2 km westlich der ehemaligen Berliner Vorratsscheunen – in der Gegend des heutigen Rosa-Luxemburg-Platzes- und der darum herum lebenden armen Schlucker, Trödeljuden und Prostituierten verrichten musste, hätte er nie im Traum daran gedacht, daß die Spandauer Vorstadt heute von manchen mit romantischem Unterton, vielleicht auch der Touristen wegen, Scheunenviertel genannt wird.
Heute ist die Spandauer Vorstadt ein Flächendenkmal voller einzigartiger Altbauten aus unterschiedlichen Epochen mitten im historischen Zentrum Berlins und zugleich ein schillernd bunter Lebensraum, gleichermaßen attraktiv für junge und ältere Berliner, für Besucher der deutschen Hauptstadt, für dynamische Start-Up-Unternehmer und Bewohner von „Pro Seniore“ in der Rosenthaler Straße.
Unser Rundgang verfolgt die Spuren jüdischen Lebens vom Ort der Alten Synagoge in der Heidereutergasse unweit der Marienkirche, auf Rosenbergs Stich deutlich sichtbar. Wir erinnern an den Widerstand der Frauen in Rosenstraße Ende Februar/ Anfang März 1943,  dem Margarethe von Trotta in ihrem  Film „Rosenstraße“ (2003) ein Denkmal gesetzt hat.

Wir durchstreifen das Jugenstiljuwel der Hackeschen Höfe, in denen der expressionistische Dichter Jacob van Hoddis 1909 den „Neuen Club“ gründete und mit seinem Gedicht „Weltende“ Furore machte. Wir schauen nach, wie sich das Ehepaar Hoffmann, reich geworden durch den Verkauf der „Van.Laack-Hemden“, in den Sophie-Gips-Höfen eingerichtet hat und versuchen uns anhand der noch erhaltenen Fassadenteile das Kaufhaus Wertheim von Alfred Messel in der Rosenthaler Straße vorzustellen. Wir besuchen den Koppenplatz, den ehemaligen Armenfriedhof, mit Karl Biedermanns Denkmal „Der verlassene Raum“ ( http://www.berlin-hidden-places.de ; dann weiter über Sachindex / Gärten, Parks und Plätze ).
Wir flanieren an den Galerien der Auguststraße entlang, gehen in die eine oder andere hinein, wenn gewünscht, und verschnaufen kurz in „Clärchens Ballhaus“. Dort amüsierte sich schon zu Kaisers Zeiten das einfache Volk dieser Vorstadt, dort stellten zu DDR-Zeiten reife Frauen beim „Ball Paradox“ den Männern nach.
Über 300 Jahre Berliner Stadt- und Architekturgeschichte! Was uns dieser Stadtteil mit der großen Tradition der Neuen Synagoge oder der Borromäus-Schwestern des St. Hedwig – Krankenhauses an Wunderbarem, Anrührendem, auch an Traurigem zu erzählen hat, wird uns während des Rundgangs näherkommen.
Wenn Sie Zeit genug mitbringen und es wünschen, können wir dem Helden der antinapoleonischen Befreiungskriege, dem General von Lützow und seinem Kampfgenossen, dem Hugenottensprössling Baron de la Motte Fouqué, Autor des Undine-Märchens, auf dem Alten Berliner Garnisonfriedhof in der Kleinen Rosenthaler Straße einen Besuch abstatten..

Auch Adelbert von Chamisso, Sohn französischer Revolutionsflüchtlinge, 1781 auf Schloss Boncourt in der Champagne geboren, erwartet vielleicht eine Stippvisite. Seine Büste steht wieder auf dem hervorragend restaurierten Monbijouplatz. Schloß Monbijou, Sitz der preußischen Königswitwen, in dem Friedrich der Große als kleiner Kronprinz bei seiner Großmutter Dorothea schlüpfrige französische Romane lesen durfte, ist leider auf immer verschwunden, aber der Park lädt Bewohner und Touristen gleichermaßen zur Rast ein. Dort, wo das Schloß stand, lernen heute Kleinkinder schwimmen, spielen Jugendliche Beach-Ball.

Weitere Informationen :

Andreas Nachama, Ulrich Eckhard, Jüdisches Berlin. Mandelbaumverlag Wien, Berlin 2017

Regina Scheer, Ahawah. Das vergessene Haus. Spurensuche in der Berliner Auguststraße, Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin , 2. Erweiterte Auflage 1997

Regina Scheer, Im Schatten der Sterne. Eine jüdische Widerstandsgruppe, Aufbau-Verlag Berlin 2004

Johanes Heesch, Ulrike Braun, Orte erinnern. Spuren des NS-Terrors in Berlin. .Ein Wegweiser, darin u.a. : Die Widerstandsgruppe Herbert Baum; Der Protest der Frauen in der Rosenstraße; Sammelllager Große Hamburger Straße; Der verlassene Raum und The Missing House; Neue Synagoge; Stolpersteine. Nikolaische Verlagsbuchhandlung Berlin 2003

Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt. Katalog der Dauerausstellung, Rosenthaler Straße 39, 10178 Berlin, Tel.: ( 030 ) 28 59 94 07
www.blindes-vertrauen.de